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Themenspezial: Musikalische Zahlen – mathematische Musik

Mathematik und Musik scheinen auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun zu haben: Mathematik gilt als geistige Nahrung, die strengen Regeln gehorcht, Musik als seelisches, emotionales Vergnügen. Also zwei völlig unterschiedliche Disziplinen? Auf keinen Fall, sagen viele Mathematiker und Musiker: Beide Fachgebiete gehorchen strengen Regeln und geben Anlass zu vielerlei Rechenübungen und Zahlenspielereien. Deshalb eignet sich Musik auch außerordentlich gut, um Schülerinnen und Schüler für Mathematik zu begeistern, die bisher noch keinen rechten Zugang zu dem Fach gefunden haben. In dieser Ausgabe des Lehrerspezials stellen wir Ihnen einige Ideen vor, mit denen Sie Musik in Ihren Mathematikunterricht bringen – oder zum Beispiel ein fächerübergreifendes Projekt planen können.


Unterrichtsanregung

Eine Brainstorming-Aufgabe für den Einstieg: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehen die Schülerinnen und Schüler zwischen Musik und Mathematik? Fertigen Sie gemeinsam eine Mindmap oder eine Tabelle an oder lassen Sie die Klasse kontrovers diskutieren:

Mögliche Unterschiede:
• Kunst/Wissenschaft
• spricht Gefühle an/spricht das Denken an
• ist sinnlich wahrnehmbar/ist intellektuell wahrnehmbar
• wirkt entspannend/strengt an
• ...

Mögliche Gemeinsamkeiten: beide
• folgen Regeln
• weisen sich wiederholende Strukturen auf
• können mit Zahlen beschrieben werden
• verwenden Brüche (in der Musik z.B. als Taktangaben)
• ...

Pythagoras beschwingt

Der erste bekannte „Musiktheoretiker“ war der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras. Eine Alltagsbeobachtung hatte den wissbegierigen Universalgelehrten auf die Idee gebracht zu untersuchen, ob Töne in einem mathematischen Verhältnis zueinander stehen. So erzählt es jedenfalls die Legende von „Phythagoras in der Schmiede“. Danach kam Pythagoras an einer Schmiede vorbei, in der man gleichzeitig mit mehreren Hämmern arbeitete. Dem Denker fiel auf, dass die verschieden hohen Töne der Hämmer zusammen einen Wohlklang erzeugten – woraufhin er direkt in der Schmiede zu experimentieren begann und herausfand, dass das unterschiedliche Gewicht der Hämmer für die verschiedenen Tonhöhen verantwortlich war.

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Unterrichtsanregung

Ist an Ihrer Schule ein so genanntes Monochord vorhanden? Mit diesem sehr einfachen Instrument können Sie Pythagoras’ Versuche leicht nachstellen. Obwohl „Monochord“ „einsaitig“ heißt, sind die meisten Schul-Monochorde mit mindestens zwei Saiten bespannt, damit zwei Töne gleichzeitig klingen können. Jede Saite hat einen beweglichen Steg, mit dem sich der schwingende Teil der Saite verkürzen lässt. Eine mindestens zwölfstufige Markierung hilft dabei, den Steg genau zu positionieren.
Nun lassen Sie zum Beispiel eine Saite auf voller Länge klingen, während Sie die zweite Saite mit dem Steg schrittweise verkürzen. Lassen Sie die Schüler notieren, wie sie den Zusammenklang der beiden Saiten empfinden. Am Ende vergleichen Sie die Ergebnisse. Wie klingen eine ganze und eine lange Saite zueinander? Welche Saitenverhältnisse empfinden die Schülerinnen und Schüler als besonders konsonant, also harmonisch? Welche klingen besonders „schräg“ bzw. dissonant? Bei welchen Saitenverhältnissen sind sich die meisten Schüler einig, bei welchen nicht?
Tipp: Kein Monochord verfügbar? Viele Experimente lassen sich auch im Internet nachstellen: www-m10.ma.tum.de/bin/view/MatheVital/Music/WebHome

Heute sagen wir, dass der Ton, der erklingt, wenn man eine Saite auf ihrer ursprünglichen Länge kürzt, in etwa eine Quinte über dem Grundton der Saite liegt. Verkürzt man die Saite auf , erhält man einen Ton, der – nach jetzigem Sprachgebrauch – ungefähr eine Quarte über dem Grundton liegt. Quinten und Quarten sind so genannte Intervalle. Sie bezeichnen den Abstand zwischen zwei Tönen. Eine Quarte besteht nach heutiger Definition aus fünf Halbtonschritten, also zum Beispiel den Schritten vom C über fünf nebeneinanderliegende Klaviertasten (die schwarzen Tasten zählen ebenso wie die weißen) bis zum F. Eine Quinte liegt sieben Halbtonschritte über dem Grundton, also etwa zwischen C und G. Auch zwei weitere wichtige Intervalle lassen sich gut durch eine Kürzung der Saite beschreiben. Sie spielten allerdings für die Pythagoreer keine Rolle, sondern kamen erst im 15. Jahrhundert auf, als man Instrumente in der so genannten „reinen Stimmung“ stimmte: Eine große Terz (vier Halbtonschritte) erklingt, wenn wir eine Saite auf kürzen. Eine kleine Terz (drei Halbtonschritte) ist bei einer Kürzung auf der Saite zu hören. Wer aber ganz genau hinhört, stellt fest, dass die Tonabstände auf dem Monochord nicht ganz identisch mit denen auf dem Klavier sind. Der Grund dafür liegt in der heute üblichen „gleichstufigen“ Instrumenten-Stimmung, bei der die meisten Töne im Vergleich zur „reinen Stimmung“ minimal verschoben sind (mehr dazu: Zahl zum Staunen).

Rechnen mit Intervallen und Frequenzen

Anders als in der Antike und im Mittelalter haben wir mittlerweile eine weitere Möglichkeit, über Töne zu sprechen, nämlich indem wir ihre Schwingungen zählen. Schwingt eine Saite 440 Mal pro Sekunde, also mit 440 Hz, dann erklingt zum Beispiel der so genannte Kammerton a1. Analysiert man die Frequenzen der verschiedenen Töne des Monochords, kommt man zu einer für viele Schülerinnen und Schüler erstaunlichen Entdeckung: Die Frequenzverhältnisse der Töne sind umgekehrt proportional zu den Saitenverhältnissen. Am Einfachsten zeigt sich das bei der Oktave: Halbiert man die Saite, erklingt ein Ton eine Oktave über dem Grundton. Seine Frequenz ist aber doppelt so hoch wie die des Grundtons.

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Vergleichen Sie die Stimmung der verschiedenen Instrumente in der Schule. Die Schülerinnen und Schüler dürfen auch gern eigene Instrumente mitbringen. Mit einem Frequenzmessungsgerät – zum Beispiel dem C-LAB von CASIO ( zum Produktspezial) oder einer Stimmgerät-Software wie zum Beispiel Aptuner (Win) oder Chromatic Tuner (Mac) – lässt sich feststellen, wie genau die Instrumente gestimmt sind. Ab wie viel Cent sind Tonunterschiede hörbar? Falls eine Geige oder ein Monochord vorhanden sind: Können die Schülerinnen und Schüler das Pythagoreische Komma hörbar machen?

Musikalische Zahlen – mathematische Musik

Sogar jenseits der Schwingungen und Frequenzverhältnisse: Die Welt der Musik und der Mathematik haben einiges gemeinsam. Zum Beispiel suchen die Menschen seit Jahrhunderten sowohl in der Musik als auch in Zahlenwerken immer wieder nach Mustern und Botschaften, etwa im Werk Bachs. Bach war ein großer Anhänger der Gematrie, bei der Buchstaben einem Code wie dem folgenden in Zahlenwerte umgerechnet wurden:



A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Berühmt ist die „Bach-Zahl“ 14, die Summe der vier Buchstaben, die zum Namen „Bach“ gehören: 2+1+3+8. Sie findet sich bei Bach an vielen Stellen:

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Ein Vorschlag für den fächerübergreifenden Unterricht: Es gibt viele Möglichkeiten, Wörter und Zahlen musikalisch zu verewigen – vom Rhythmus über die Tonhöhen und die Anzahl von Tönen und Takten sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Addieren, Multiplizieren, Umkehren, alles ist erlaubt. Fordern Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auf, ihren eigenen Namen oder ihre eigene Geheimbotschaft in Töne umzuwandeln. Welche Methoden dafür fallen ihnen ein? Können die Mitschüler erraten, welches Werk für welchen Namen steht?

Komposition – eine Frage des Zufalls?

Zahlen sind vielseitig: Einerseits lassen sich mit Zahlen strenge Systeme und komplexe Konstruktionen wie in Bachs Stücken umsetzen. Andererseits sind Zahlen auch hervorragend für Zufallsexperimente geeignet. Dass sich Zufall und Musik gut verbinden lassen, wissen wir spätestens seit Mozarts Zeit, als die Gesellschaft musikalische Würfelspiele entdeckte. Um 1787 verfasst Mozart seine „Anleitung so viel Walzer oder Schleifer mit zwei Würfeln zu componiren so viel man will ohne musikalisch zu seyn noch etwas von der Composition zu verstehen". Das Spielprinzip: Mithilfe von Tabellen und zwei Würfeln stellen die Spieler aus einer Liste fertig komponierter Takte ein individuelles Musikstück zusammen. Einzige Voraussetzung in der damaligen Zeit waren wenigstens geringe Klavierkenntnisse, um das erwürfelte Musikstück vortragen zu können. Heute lassen sich Würfelkompositionen auch im Internet zusammenstellen, so zum Beispiel auf der Seite http://www-m10.ma.tum.de/bin/view/MatheVital/Music/Mozart.

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Können Ihre Schülerinnen und Schüler eigene musikalische Würfelspiele entwickeln? Der Versuch eignet sich zum Beispiel für eine Projektwoche und birgt sowohl mathematische als auch musikalische Fragestellungen. Natürlich muss es aber nicht immer klassische Musik sein! Wie klingt ein Würfel-Rap, bei dem vor allem der Rhythmus eine Rolle spielt? Wie viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten lassen sich aus den vorgegebenen Takten zusammenstellen? Nach welchen Prinzipien lassen sich die Takte noch ordnen, wenn man nicht würfeln möchte?

Der Ohrwurm – ein statistisches Phänomen

Kennen Sie den Song „Que sera, sera“, den Doris Day 1956 in dem Hitchcock-Klassiker „Der Mann, der zu viel wusste“ sang? Vorsicht: Wenn Sie jetzt beginnen, das Lied zu summen, dann werden Sie es möglicherweise den ganzen Tag nicht mehr los. „Que sera, sera“ ist ein klassischer Ohrwurm, also eines der Musikstücke, die sich schon nach einmaligem Hören tief ins Gehirn bohren und sich dort für Stunden oder sogar Tage festsetzen.

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Unterrichtsanregung

Ohrwürmer gibt es viele – ein guter Anlass, um die Untersuchungen des Physikers Damián Zanette nachzustellen. Fordern Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auf, sich die Noten bekannter Ohrwürmer zu besorgen und zählen Sie die Noten und ihre Längen aus: Über wie viele Achtelschläge ertönt der häufigste Ton, über wie viele der zweihäufigste? Was für ein Bild entsteht, wenn die Werte in ein Koordinatensystem übertragen werden? Noch mehr Alltagsbezug bekommt dieses Experiment, wenn Sie die Schülerinnen und Schüler zusätzlich auffordern, die Stücke mehrfach hintereinander zu hören. Welches bleibt bei den meisten von ihnen hängen? Finden Sie noch andere Hypothesen, warum ein Musikstück „Ohrwurm-Material“ ist? Der Kasseler Musikwissenschaftler Jan Hemming hat mit seinen Studierenden einige interessante Experimente zu dieser Frage durchgeführt.Welches bleibt bei den meisten von ihnen hängen? Finden Sie noch andere Hypothesen, warum ein Musikstück „Ohrwurm-Material“ ist? Der Kasseler Musikwissenschaftler Jan Hemming hat mit seinen Studierenden einige interessante Experimente zu dieser Frage durchgeführt: http://www.uni-kassel.de/~hemming/images/Hemming-Montreal.pdf.

Raumakustik: Feeling für Zahlen und Sound

„Ein guter Sound ist keineswegs etwas rein Individuelles oder Zufälliges, sondern lässt sich berechnen“, sagt Uwe M. Stephenson, Professor für Raumakustik der HafenCity Universität Hamburg. Neben der Nachhallzeit sind Deutlichkeit, Seitenschallgrad, Stärke und Klangfarbe wichtige Faktoren, die eine optimale Akustik ausmachen.

Dies ist jedoch vom Verwendungszweck des Raumes abhängig, vor allem, ob dieser für Sprache oder einen bestimmen Musikstil genutzt wird. Eine allgmein „gute Akustik“ gibt es nicht. Es existieren zudem unterschiedliche Hörtypen: Die einen wollen eher in Wagnerischer Opernmusik baden, andere wollen aus den polyphonen Chorwerken eines Johannes Sebastian Bach alle Stimmen klar und deutlich heraushören. „Nichtsdestotrotz gibt es, wie psychoakustische Studien seit Jahrzehnten bestätigen, für alle genannten raumakustischen Parameter klare Sollwertbereiche. Für die Nachhallzeit gilt zum Beispiel folgende Faustregel: eine Sekunde für Sprache, zwei Sekunden für Musik“, erläutert Stephenson.

„Entgegen manchem Vorurteil ist auch die geometrische Grundform des Raumes entscheidend“, so Stephenson. „Das sollten Architekten von Anfang an berücksichtigen.“ Für die Musikwahrnehmung sei der Seitenschallanteil besonders wichtig. Dieser ist in einem Saal mit rechteckigem Grundriss am höchsten. Shoebox-Räume sind deshalb weltweit die besten Konzertsääle, zum Beispiel der Wiener Musikvereinsaal oder die Hamburger Laeiszhalle. Weingartenartige Arenen wie die geplante Elbphilharmonie sind von Grund auf ungünstiger. Säle mit kreisförmigem Grundriss oder gar Kuppeln haben einen Brennpunkt, der katastrophale Konsequenzen besitzt. Grosse, glatte und planparallele Wände führen zu Flatterechos, die sprachliche Verständigung unmöglich machen. Das Ziel sollte dabei immer sein, ein homogenes, diffuses Schallbild und ein gleich gutes Hören auf allen Plätzen zu schaffen – zum Beispiel durch gute Schallstreuung an den Oberflächen. Auch Sub-Strukturen wie etwas Reliefs oder barocke Verzierungen – sogenannte Diffusoren – sind wichtig, diese sollten möglichst unregelmäßig sein.

Arbeiteten zur Optimierung eines Saalentwurfs Raumakustiker früher noch mit physikalischen Modellen, etwa im Maßstab 1:16, simulieren sie heute die Schallausbreitung am Computer mithilfe eines Schallteilchenmodells beziehungsweise mithilfe von Ray-tracing, einer von der Lichtsimulation oder der Computergrafik bekannten Technik. Dank digitaler Signalverarbeitung ist es im zweiten Schritt sogar möglich, die Höreindrücke an bestimmten Plätzen eines Konzertsaales schon vor dem Bau hörbar zu machen, zu „aurealisieren“.

An der HafenCity Universität Hamburg entwickeln Stephenson und seine Doktoranden neue verfeinerte Verfahren. Dabei geht es vor allem um die verbesserte Simulation der Schallbeugung, den Welleneffekt, der beim Verwenden eines Schallteilchenmodus naturgemäß vernachlässigt wird.


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