Berufsspezial

Interview



Studiengang „Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften“ – ein Professor erzählt

„Auf dem Arbeitsmarkt werden unsere Absolventinnen und Absolventen mit Kusshand genommen. Die Arbeitslosenquote liegt eigentlich bei null Prozent“, erzählt Professor Jürgen Prestin. Der Mathematiker lehrt im Studiengang Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften an der Universität Lübeck. Seit 2002 bildet das Studium Mathematiker und Mathematikerinnen aus, die später in medizinischen Einrichtungen und Pharmaunternehmen in interdisziplinären Forschungsteams arbeiten können – zusammen mit Fachleuten aus anderen medizinischen, technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Zwar steht Mathematik auch in anderen naturwissenschaftlichen Fächern auf dem Stundenplan, aber viele medizinische Fragestellungen gehen heute weit über diese Inhalte hinaus. Prestin nennt das die „Mathematisierung“ der Medizin.

Einsatzgebiete: Medikamentenentwicklung, Big Data, Modellierung

So zum Beispiel im Bereich „Drug Design“, also der Entwicklung neuer Medikamente. „Heute kann man in einer Datenbank nachschlagen, wo genau jeder einzelne Mittelpunkt der beispielsweise 1.500 Atome sitzt, aus denen ein Protein besteht – mit exakten Koordinaten und auf mehrere Nachkommastellen genau. Das ist sehr hilfreich, um vorauszusagen, wie Proteine miteinander interagieren“, so Prestin.

Ein anderes mathematisches Aufgabenfeld in der Medizin liegt im Bereich Big Data: Um etwa viele Terrabyte große genetische Datenmengen schnell zu analysieren, sind die Fachkenntnisse von Mathematikern und Mathematikerinnen nötig. Weitere große mathematische Fragen gehen mit modernen Bildgebungsverfahren wie MRT oder PET einher: Wie lassen sich Bilder zum Beispiel live während einer Operation nutzen – und wie lässt sich die Bewegung herausrechnen, die durch die Atmung entsteht? Auch roboterassistierte Operationen sind ein Thema für die Lübecker Mathematikerinnen und Mathematiker – sie gehen etwa der Frage nach, wie sich dreidimensionale Bilder nutzen lassen, um zu entscheiden, wie die Schnitte während der OP am besten gesetzt werden müssen.

Wer sich eher für Stochastik interessiert, findet über das Studium auch einen Einstieg in die Bio-Statistik. „Die medizinische Forschung kommt heute nicht mehr ohne eine hochkarätige statistische Begleitforschung aus“, erzählt Prestin. Darüber hinaus ist mathematische Modellierung in der Medizin gefragt – als eines von vielen möglichen Einsatzgebieten nennt Prestin die Erforschung von Adipositas. Dabei werden die Funktionsweise der sogenannten Blut-Hirn-Schranke oder der Glukosegehalt im Blut untersucht.



Das sollten Studieninteressierte mitbringen

Wer sich für ein Bachelor- oder Masterstudium der Mathematik in Medizin und Lebenswissenschaften interessiert, sollte natürlich Interesse an Mathematik mitbringen, auch der Umgang mit dem Computer – als wichtigstes Hilfsmittel – sollte Interessierten Freude bereiten. Darüber hinaus wünscht sich Prestin vor allem Eigenschaften bei den Studierenden, die auch in anderen Studiengängen nützlich sind: Selbstorganisation, Eigeninitiative und Spaß am Arbeiten im Team. „Schön wäre auch, wenn sich die Studierenden an Knobelaufgaben erfreuen können“, fügt Prestin zum Schluss hinzu – zum Beispiel gehe es in vielen Bachelor-Arbeiten um offene Fragestellungen. „Da wissen wir vorher auch selbst noch nicht, ob man ein Ziel erreichen, eine Lösung finden kann. Wenn alles erst einmal bekannt ist, dann kann das ja auch ein Computer übernehmen.“


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