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Über Mathematik im Bilde sein

Bilder und Videos sind aus dem Internet nicht wegzudenken. 2022 wurden zum Beispiel in jeder Minute durchschnittlich 64.440 Fotos oder Videos auf Instagram geteilt und 167 Millionen Videos auf TikTok angesehen.

Dank immer besserer Smartphone-Kameras haben digitale Filme und Fotos einen festen Platz im Alltag Jugendlicher. Kaum eine Situation bleibt fotografisch undokumentiert, Bildbearbeitung und Filmschnitt per App sind buchstäblich ein Kinderspiel.

Weniger verbreitet ist das Wissen um die mathematischen Hintergründe digitaler Bilder und Videos – dabei ist es für junge Fotograf*innen ziemlich nützlich, Begriffe wie Auflösung, Farbtiefe oder Bildrate zu verstehen. In diesem Lehrerspezial schlagen wir deshalb den Bogen von digitalen Bildern zum Mathematikunterricht. In den Unterrichtsideen lernen Schüler*innen zum Beispiel Pixel und Auflösungen kennen, beschäftigen sich mit verschiedenen Kompressionsverfahren, filmen per Stop-Motion-Verfahren einen Ballwurf und erstellen aus Vektoren Kunstwerke.

Die Welt in Pixeln

In der Vorstellung vieler Menschen sind Pixel kleine Quadrate, die sich zu größeren Bildern zusammenfügen. In Wirklichkeit sind Pixel nicht zwangsläufig quadratisch und es besteht auch nicht jedes Bild aus Pixeln. Zutreffend ist aber, dass digitale Bilder und Rastergrafiken aus einzelnen Bildpunkten bestehen, die so klein sind, dass das Auge im Idealfall keine einzelnen Elemente wahrnimmt, sondern durchgehende Linien und Flächen. Wie groß ein Pixel ist, hängt von der Auflösung eines Bildes oder Bildschirms ab: Je mehr Pixel sich die verfügbare Fläche teilen, desto kleiner ist jedes einzelne. Wer die Mathematik digitaler Bild- und Filmwelten verstehen möchte, findet mit Pixeln einen guten Einstieg.



Unterrichtsidee

Bildverzerrungen mithilfe linearer Funktionen korrigieren in Klasse 8

Auch im Unterrichtsmaterial „Pixel auf Abwegen“ steht der Anwendungsbezug im Vordergrund, in diesem Fall die Fernerkundung der Erde. Neben dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat auch die Ruhr-Universität Bochum die zweistündige Unterrichtseinheit mitentwickelt.

Die Ausgangssituation für die Berechnungen liefert ein Flugzeug, das aus der Luft Scanner-Aufnahmen der Erdoberfläche anfertigt. Durch eine Windböe kommt es von seinem geraden Kurs ab – im Scanner-Bild entsteht eine Verzerrung. Die Lernenden korrigieren die Verzerrung mit einer linearen Funktion – und verstehen dadurch, welche Aufgaben lineare Funktionen in realen Situationen erfüllen können.



Pixel-Einstieg in Klasse 5

In irdischen Zusammenhängen ist es häufig vor allem eine ästhetische Frage, wie gut ein Bild aufgelöst ist. Ganz anders sieht es bei der Erforschung des Weltraums aus. Um über astronomische Entfernungen hinweg aussagekräftige Bilder zu knipsen, ist eine extrem hohe Auflösung nötig. Im Unterrichtsmaterial „Pixel um uns herum“ der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erfahren Kinder bis elf Jahre, wie sich ein Bild in Pixel aufteilen lässt und wie sich Entfernung und Auflösung auf die Schärfe von digitalen Bildern auswirken. Außerdem fertigen die Schüler*innen eigene Pixel-Kunstwerke an und lernen beinahe nebenbei den Umgang mit Gitternetzen verschiedener Größen kennen.

Grafiken, die bei Vergrößerung
nicht verpixeln

Etwas künstlerischer lässt sich die Beschäftigung mit Bézierkurven gestalten, indem die Schüler*innen zum Beispiel eigene Logos oder Buchstaben entwerfen. Sie lernen dabei, dass nicht jedes Bild aus Pixeln besteht. Buchstaben etwa werden nicht pixelig, wenn am Computer die Zeichengröße erhöht wird. Der Grund: Schriften, ebenso wie viele Logos, sind nicht als Bilder angelegt, sondern werden mathematisch beschrieben als sogenannte Vektorgrafiken. Ein beliebtes Hilfsmittel dafür sind Bézierkurven, bekannt nach dem Ingenieur Pierre Bézier, der in den 1960er Jahren Auto-Karosserieformen entwickelte.

Heute begegnen viele Menschen Bézierkurven zum ersten Mal in Software wie Microsoft Powerpoint: gekrümmte Linien zwischen zwei Punkten, die Krümmung lässt sich beeinflussen, indem man zwei weitere Punkte verschiebt. Mehrere Bézierkurven lassen sich zu beliebigen Formen zusammensetzen und dann ohne Qualitätsverlust vergrößern.



Unterrichtsidee

Mathematisch lassen sich Bézierkurven mithilfe von Vektoren beschreiben – in diesem Video wird sehr anschaulich erklärt, wie das funktioniert und zum Beispiel mit einer Mathematik-Software umsetzbar ist. Praktische Unterstützung bietet auch dieser Bézierkurven-Rechner. Unterhaltsam lassen sich Bézierkurven zum Beispiel in einem Typografie-Projekt vermitteln, bei dem die Klasse eine eigene Schriftart entwirft – jede*r ist für einen Buchstaben zuständig. Die praktische Umsetzung lässt sich mit der Open-Source-Typografie-Software „FontForge“ erledigen.




Algorithmen: Filme und Bilder
komprimieren

Digitale Bilder und Filme benötigen viel Speicherplatz. Das ist unpraktisch, wenn man sie schnell versenden möchte. Gut, dass man bei Bedarf die Dateigröße reduzieren kann – je nach Kompressionsmethoden mit oder ohne Verlust. Für den Mathematik- oder Informatikunterricht bieten Kompressionsverfahren interessante Einblicke, um besser zu verstehen, wie Mathematik Alltagsprobleme lösen kann. Konkret lässt sich außerdem die Funktionsweise von Algorithmen vermitteln.



Verlustfrei komprimieren: Lauflängen- und Huffman-Kodierung

Wie lässt sich digital Platz sparen? Die Frage birgt nicht nur eine mathematische, sondern auch eine kreative Herausforderung. In der IT gibt es verschiedene Lösungsansätze.

Zu den offensichtlichsten Vorschlägen gehört eine so genannte Lauflängenkodierung, auf Englisch „Run-Length-Encoding“ (RLE) genannt. Die Idee ist einfach: Anstatt Informationen über jedes einzelne Pixel zu speichern, fasst die Lauflängenkodierung nebeneinander liegende, identische Pixel zusammen. Wie das genau funktioniert, erklärt dieses Video. Vereinfacht gesagt wird dadurch aus

0 – 0 – 0 – 1 – 1 – 0 – 0:
3x 0 – 2x 1 – 2x 0

Das Beispiel lässt bereits ahnen, dass sich Bilder unterschiedlich gut per Lauflängenkodierung komprimieren lassen: Je weniger Farben ein Bild umfasst und je großflächiger die Farben verteilt sind, desto stärker lässt sich durch die Lauflängenkodierung die Dateigröße verringern.

Ein auch für komplexere Dateien geeignetes Verfahren ist die Huffman-Kodierung. Sie kodiert jedes Zeichen einzeln, aber häufige Zeichen bekommen eine besonders kurze Kodierung. Wie der Algorithmus funktioniert, lässt sich mithilfe von Baumdiagrammen demonstrieren.

Unterrichtstipp

Umfangreiches Unterrichtsmaterial für den Mathematik- und Informatikunterricht zu verschiedenen Bild-Kodierungsverfahren bietet der Bildungsserver Berlin-Brandenburg. Neben der verlustfreien Lauflängen- und Huffman-Kodierung lernen die Schüler*innen unter anderem auch, wie verlustbehaftete Programmierung funktioniert und welche Daten dabei nicht erhalten bleiben.

Umfassende Unterrichtsvorschläge ab Klasse 8 zum – verlustbehafteten – Kompressionsverfahren mp3 hat zudem das Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI entwickelt. Es kommt vor allem in Audio-Dateien, aber auch Videos zum Einsatz.

Lernen wie im Flug: Eine Seilkamera bauen
und mathematisch erkunden

Wenn es – zum Beispiel im Fußballstadion – auf großer Fläche viele Aktivitäten und spannende Details zu sehen gibt, hilft eine Seilkamera weiter. Sie hängt an vier Seilen, die hoch oben aus den vier Ecken über der zu filmenden Fläche zur Kamera führen. Über Seilwinden lässt sich die Position der Kamera im dreidimensionalen Raum verändern, so dass sie immer dort filmen kann, wo es gerade besonders viel zu sehen gibt. Seilkameras sind nicht nur nützlich, sondern bieten im Mathematikunterricht auch einen interessanten Einstieg in die analytische Geometrie.

Wie die Schüler*innen mit einfachen Mitteln in Gruppenarbeit selbst Seilkameras bauen und sich in sieben Stationen die Grundbegriffe der analytischen Geometrie praktisch erarbeiten, erklärt ein Unterrichtsmaterial des Sinus-Projekts in Nordrhein-Westfalen.

Noch spannender wird es, wenn die Seilwinden nicht menschen- sondern computergesteuert funktionieren und per Python oder Scratch von den Schüler*innen selbst programmiert werden.

Stop-Motion-Animation eines Ballwurfs
per Stop-Motion

Wie viele Bilder pro Sekunde sind nötig, um den Eindruck einer flüssigen Bewegung zu erzeugen? Das ist die Kernfrage, der die Schüler*innen in dieser Stop-Motion-Aufgabe nachgehen. Ganz nebenbei lassen sich zudem Parabeln wiederholen. Die Idee: Die Jugendlichen stellen auf Papier einen Ballwurf nach und filmen ihn möglichst flüssig im Stop-Motion-Verfahren. Ein echter Ball ist dabei nicht nötig, die ganze Animation spielt sich auf einem DIN-A4-Blatt ab. Der Ball – bzw. ein ausgeschnittener Kreis – soll in einer realistischen Kurve von links nach rechts fliegen und dort einen Korb treffen. Die Aufgaben umfasst fünf Schritte.



Unterrichtsidee
  1. Zunächst berechnen die Schüler*innen in Gruppen die Flugbahn und stellen sie als Funktionsgleichung in der Form f(x)= ax2+bx+c dar. Zu ihren Überlegungen gehört, auf welcher Höhe der Ball abgeworfen wird, in welcher Höhe der Scheitelpunkt der Parabel erreicht ist und wo der Korb hängt, in der der Ball am Ende des Wurfs landen soll. Wer auf diesen Schritt verzichten möchte, kann z. B. mit der Funktion f(x)=-1/3 x^2+2x+4/3 arbeiten. Alternative: Aus den ersten Punkten der Flugbahn lässt sich per Regression eine passende Funktionsgleichung berechnen – im „Produktspezial“ dieser Aufgabe ist das Verfahren für das ClassPad II Schritt für Schritt erklärt.
  2. Ist die Wurfbahn berechnet, übertragen die Schüler*innen sie maßstabsgetreu aus dem Koordinatensystem auf das Papier und zeichnen sie dünn ein. Wenn sie mögen, zeichnen sie auch die werfende Person und das Ziel sowie den Hintergrund – der gestalterischen Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
  3. Nun legen sie das Blatt auf einen Tisch und bringen darüber ein Smartphone mit Stop-Motion-Software (zum Beispiel das kostenlose „Stop Motion Studio“) wackelsicher an. Ist kein Stativ verfügbar, lässt sich zum Beispiel mit gestapelten Büchern, einem dazwischen herausragenden Brett und einem starken Gummiband eine Konstruktion improvisieren , die das Smartphone oberhalb des Papiers fixiert.
  4. Jetzt müssen die Jugendlichen festlegen, mit welcher Bildrate sie ihr Video aufnehmen. Üblich sind 12 oder 24 Bilder pro Sekunde. Eine Wurfgeschwindigkeit ist bewusst nicht vorgegeben – die Lernenden können also einen sehr langsamen oder kraftvollen Wurf darstellen. Durch Experimentieren oder Rechnen ermitteln sie, wie viele einzelne Aufnahmen sie benötigen und wie weit sich der Ball zwischen zwei Aufnahmen bewegen darf, damit die Bewegung flüssig wirkt. Schaffen sie es, unterschiedliche schnelle Flugphasen im Film darzustellen? Wie lang setzen sie die Gesamtdauer des Wurfs an?
  5. Ein gemeinsames Sichten der fertigen Filme schließt die Aufgabe ab. In einer Diskussion tauschen sich die Lernenden darüber aus, wie sie die optimale Zahl der Einzelaufnahmen und die Position des Balls darin ermittelt haben.

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